Mit einem Smoothie in der Hand sitze ich im halbdunklen Parkhaus und lasse das Radio laufen. Einfach mal atmen.

Ein bisschen fühlt es sich an, als würde ich etwas Verbotenes tun. Ein schlechtes Gefühl, weil ich meinen Erdbeer-Bananen-Saft von der teuren Marke mal ganz alleine genieße, während Kind 1 die Schule besucht und Kind 2 in der Kita sitzt und mich bestimmt ganz doll vermisst. Das ist schon echt gemein. Er ist gut gelaunt, wenn ich ihn später abhole, aber die Verabschiedung morgens ist für uns beide nicht allzu fein. Dabei habe ich mich auf diesen neuen Lebensabschnitt so sehr gefreut. Endlich wieder nur mit mir selbst zu sein, mich neu organisieren zu können, entspannt meiner Arbeit nachzugehen und auch mal wieder Staub zu putzen, ohne dass zeitgleich die Milch über den Velourlederesszimmerstuhl gekippt wird. Und jetzt bin ich plötzlich nur noch halb. Mit den Gedanken bei den Kindern, und wie sie ihre neu gewonnenen Freiheit leben. Es wird noch ein paar Tage oder Wochen dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe. Dabei hatte ich mir soooo viel vorgenommen, wenn beide Kinder in der Betreuung sind. Ich wollte mal in Ruhe heiß Baden gehen, den Kleiderschrank sortieren, mich mal für eine halbe Stunde auf die Couch legen, Fernsehen und Kaffe trinken. Eben all die Erwachsenen-Sachen, die man das letzte Mal vor zig Jahren gemacht hat. Von meinem Vorhaben habe ich noch keinen einzigen Punkt umgesetzt. Bis jetzt habe ich nur "effektiv gearbeitet". Und es ist gut den Hund an meiner Seite zu haben, da er mich während meiner Arbeitszeit zu einer aktiven Draußen-Pause zwingt. Das ist Gold wert.

Fragt jemand, was ich beruflich mache und erzähle es dann, werde ich oft entweder belächelt nach dem Motto "okay, wenn du meinst, dass man als Fotograf noch Geld verdienen kann..." oder es folgt der kritische Mütterblick alá "okay, wenn du meinst, dass deine viele Arbeit deinen Kindern nicht schadet...". Das ist ja eh so ein Ding - Mütter die nur zuhause bleiben sind Glucken, die die arbeiten sind Rabenmütter. Bei mir kann man das nicht einschätzen, weil ich ja "offiziell" zuhause bin (=Glucke), andererseits selbstständig bin und zusätzlich auch stundenweise noch für meinen Arbeitgeber im Home Office tätig bin (=Rabenmutter). Das birgt gewaltiges Spekulationspotenzial! Und dazu bin ich ja noch ziemlich jung - mit 30 ist meine Familienplanung komplett abgeschlossen und ich kann mich jetzt auf meine "Karriere" konzentrieren, während andere erst noch mal über die Familienplanung nachdenken. Dass ich mit 24 Jahren, mitten im Studium, ein Baby bekommen habe, war für viele damals ziemlich unverständlich. Ins Gesicht hätte mir das niemand gesagt. Aber man spürt sowas.

Sicherlich kennt ihr diesen Typ Mensch, der immer an allem etwas zu nörgeln hat, aber noch nie etwas unternommen hat, um die Welt ein bisschen zu retten? Die, die mit dir immer nur hinter dem Rücken anderer ablästern möchten und darin ihre Erfüllung finden. Dieses Kaliber findet man fast nur im weiblichen Segment. In Kindergärten, Schulen, Vereinen, am Arbeitsplatz. Boah, wie ich mich noch vor ein paar Jahren über solche Personen innerlich aufgeregt habe. Das schlimme ist, dass diese Leute gar keinen Mehrwert bieten. Für mich persönlich und für die Gesellschaft allgemein. Das sind Personen, die sich nur selbst am nächsten sind und dafür ihren "Segen" von Dritten brauchen.
Mittlerweile bin ich soooo gelassen in dieser Hinsicht. Es interessiert mich einfach nicht mehr. Ich bin mit mir selbst im Reinen und weiß, was ich bislang alles geschafft habe. Komplett ohne fremde Hilfe. Wobei ich dafür gar keine Anerkennung haben möchte. Eigentlich finde ich mein Leben ziemlich normal. Also für mich. Ich habe die selben Sorgen wie andere Mütter auch und muss oft einen Spagat zwischen Job und Familie machen. Es geht aber am Ende doch nur darum, wie man sich aufstellt. Ist man problem- oder lösungsorientiert? Ich lasse mich nie auf schlechte Gedanken ein. Ich schaue immer nur, wie ich eine Lösung finde. Deshalb spreche ich auch weniger darüber, wie ich was regeln könnte. Oder frage nach Rat. Nach Rat fragen kann man sicherlich, wenn man in einer Sackgasse steckt. Aber nicht für Dinge, die ich selbst regeln muss und für die ich selbst gerade stehen muss. Über die Wenns und Abers denke ich deshalb nicht viel nach. Und aus diesem Grunde habe ich einfach auch gar keine Zeit, ständig bei anderen das Haar in der Suppe zu suchen. Es gibt wichtigeres.

Selbsterkenntnis ist übrigens auch ein riesen Thema bei mir. Ich habe in den letzten Monaten sehr viel über mich gelernt. So war es eine riesen Überwindung für mich, nun auch Hochzeiten fotografisch zu begleiten. Steif und fest habe ich fast 2 Jahre daran festgehalten NIEMALS NIE NIE NIE eine Hochzeit zu fotografieren. Ich fand meine Arbeit zu schlecht, den Aufwand und die Verantwortung zu hoch. Und was ist, wenn jemandem das Ergebnis nicht gefällt? Nachdem die Anfragen immer mehr wurden kam irgendwann der Gedanke, es einfach zu probieren. Man kann nicht wissen, was man nicht kann, wenn man es nicht probiert hat. Also habe ich es probiert. Und es hat geklappt. Gut sogar. Wobei ich auch zugeben muss, dass es für mich der richtige Zeitpunkt war. Mit weniger Erfahrung hätte das alles auch ziemlich in die Hose gehen können. Auch wenn ich sehr positiv auf Ziele eingestellt bin, so bin ich trotzdem ein Sicherheitsmensch. Mein Bauch entscheidet zwar in gewisser Weise mit, trotzdem hat der Kopf bei mir das Sagen. Das hat sich bewährt.

"Mutig, Frau Stender!" - das habe ich auch schon oft über die Selbstständigkeit "als Frau" gehört. Warum denn mutig??? Weil ich mir meine Zeit nun selbst einteile? Weil ich meinen Chef nicht anrufen muss, weil Kind 1 Magen-Darm hat und ich nicht in Büro kommen kann? Weil ich täglich 1-2 Stunden in der Natur sein darf und mich frei bewegen kann? Mutig, weil ich mein Einkommen selbst steuern "muss". Das hat doch nun wirklich alles nichts mit Mut zu tun. Ich bin nicht mit Ärzte ohne Grenzen in ein Kriegsgebiet gezogen oder unterstütze Greenpeace aktiv - auch wenn dies sicher noch auf meiner Liste steht. Das sind Dinge, die Mut fordern! Aber doch bitte nicht, weil ich einen Gewerbeschein besitze.

Trotzdem möchte ich Mut machen - und zwar allen, die immer noch hin und hergerissen sind und unglücklich von 8 bis 17 Uhr im Büro sitzen, Briefe abstempeln, aber Plan B zuhause in der Schublade liegen haben. Riskiert doch mal was! Macht kaputt, was euch kaputt macht. Und fangt an euer selbstbestimmtes Leben zu führen. Meckert nicht nur, sondern ändert einfach eine Stellschraube in eurem System. Runter von der Couch 😉 !

Ich für meinen Teil bearbeite nun die letzten Fotos von meiner letzten Hochzeitsreportage während ich nebenher laut MEINE Musik höre, drehe dann eine Hunderunde und gehe einkaufen.
Danach ist Qualitytime mit meinen Kindern. Das wichtigste in meinem Tagesablauf.

Ob ich mir auch wieder einen Smoothie gönne...?

Seid lieb zu einander!

Eure Alex

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